Der Bürger:innenrat mit DF
Der Bürger:innenrat als Anwendung der Methode Dynamic Facilitation ist ein Beteiligungsverfahren, das ebenfalls von Jim Rough entwickelt wurde und sich im englischen Original „Wisdom Council Process“ nennt. Es ist eine einfache, kostengünstige und rasche Möglichkeit, Selbstorganisation und Eigenverantwortung in der Bevölkerung zu stärken.
Per Losverfahren werden zwölf bis sechzehn Bürgerinnen und Bürger anhand des Melderegisters eines Ortes oder einer Region ausgewählt, die an eineinhalb Tagen miteinander arbeiten. Aufgrund der Zufallsauswahl handelt es sich bei den Teilnehmer:innen um „normale“ Leute, die über keinerlei spezielles Vorwissen oder spezielle Qualifikationen verfügen.
Insbesondere vertreten sie dadurch keine Interessensgruppen, sondern ihre persönliche Meinung. Die teilnehmenden Personen werden dazu motiviert, i.d.R. zu einer bestimmten Fragestellung Themen und Anliegen ihrer Wahl an diesen eineinhalb Tagen zu diskutieren. Aufgrund der auswahlbedingt vielfältigen Zusammensetzung der Gruppe geht es mit hoher Wahrscheinlichkeit um Fragen, die viele Menschen in der Gemeinde bewegen.
Zu diesen Themen trägt der Bürger:innenrat Thesen, Sichtweisen, Lösungsideen und Empfehlungen zusammen. Inhaltlich wird der Bürger:innenrat weder angeleitet noch in irgendeiner Weise gesteuert. Moderiert wird er mit Dynamic Facilitation.
Die Teilnehmenden entscheiden selbst, wie viele und welche Themen sie innerhalb der Hauptfragestellung bearbeiten werden. Als Ziel soll eine gemeinsame Erklärung verfasst werden. Gemeinsam heißt, dass alle teilnehmenden Personen (und nicht “nur” die Mehrheit) hinter der verfassten Erklärung stehen.
Die Ergebnisse des Bürger:innenrats werden anschließend im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung, beispielsweise einem Bürger:innencafé, vorgestellt und diskutiert. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die richtigen Ansprechpersonen aus Politik und Verwaltung anwesend sind. Bei der Präsentation sollen jedoch nicht nur Thesen und Lösungsideen, sondern auch die Atmosphäre des Bürger:innenrats, den Prozess und mögliche Aha-Effekte die zu einem Durchbruch geführt haben, vorgestellt werden.
Nach dieser Veranstaltung sind alle Beteiligten aufgerufen, für sich selbst und im eigenen Umfeld das Ergebnis zu reflektieren und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen: Die politischen Verantwortlichen, die Verwaltung, sonstige beteiligte Institutionen und natürlich die Bürgerinnen und Bürger selbst.
Bürger:innenräte mit DF sind auch als “Bürger:innenräte nach dem Vorarlberger Modell” bekannt. In diesem österreichischen Bundesland werden sie seit 2011 umgesetzt und sind mittlerweile als festes Instrument der Bürger:innenbeteiligung in der Landesverfassung verankert.
Dieses Anwendungsformat ist nicht nur für Kommunen und Zivilgesellschaft geeignet. Als „Wisdom Council Process“ kann dieses Beteiligungsformat sehr gut in Unternehmen, Organisationen und Institutionen eingesetzt werden. Die Auswahl erfolgt ebenfalls per Losverfahren entsprechend aus allen Mitarbeiter:innen eines Unternehmens oder einer Abteilung oder aus der Mitgliederschaft einer Institution, die dann für eineinhalb Tage mit Dynamic Facilitation gemeinsam an herausfordernden Themen arbeiten.